Stand: 15.04.2011
Situation
Die WGS Wohnungsbaugesellschaft mbH in Stuttgart wurde 1985 von dem ehemaligen Bankdirektor Klaus Neuschwander gegründet. Das Geschäftsfeld der WGS bestand ganz überwiegend in der Konzeption und Realisierung von geschlossenen Immobilienfonds. Zwischen 1987 und 1996 wurden 41 Fonds aufgelegt, deren Volumen sich insgesamt auf annähernd 2 Mrd. DM belief.
Anleger konnten sich in der Regel an den Fonds mit Anteilen zu jeweils DM 30.650,- zuzüglich diverser Gebühren beteiligen. Die Finanzierung der Beteiligung und der mit ihr verbundenen Kosten wie z.B. Notars- und Bearbeitungsgebühren erfolgte häufig über Bankdarlehen, die den Anlegern in den meisten Fällen „im Paket“ von den Anlageberatern bzw. –vermittlern angeboten wurden. Die Anleger konnten also eine Fondsbeteiligung ohne Einsatz von Eigenkapital erwerben. Die Tilgung war erst nach etwa 20 Jahren durch eine parallel zu bedienende Lebensversicherung vorgesehen. Die anfallenden Zinsen sollten weitgehend aus Mietausschüttungen und Steuerersparnissen beglichen werden können, wobei die WGS Garantien für die prognostizierten Mieteinnahmen abgab.
Damit konnten insbesondere Anleger gewonnen werden, für der Erwerb einer Immobilie aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich war.
Am 15. April 1997 musste die WGS beim Amtsgericht Stuttgart Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens stellen.
Durch die Zahlungsunfähigkeit der WGS waren jedoch die ausgesprochenen Mietgarantien wertlos wurden. Da die tatsächlich erzielbaren Mieten die von der WGS garantierten Zahlungen zum Teil erheblich unterschritten, erhielten die Anleger in der Folge nur noch deutlich geringere Mietausschüttungen, die bei einigen Fonds vorübergehend sogar ganz eingestellt wurden.
Damit konnte aber auch das Finanzierungskonzept der ca. 38 000 Anteilseigner nicht mehr funktionieren. Die durch die fehlenden Mietausschüttungen entstehende Finanzierungslücke bei den Kreditraten mussten sie durch eigene Mittel auffüllen.
Rechtliche Einschätzung
Für die betroffenen Anleger ergeben sich grundsätzlich auch heute noch verschiedene Ansatzpunkte, um Schadenersatzansprüche mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen.
Anlageberater/-vermittler
Zunächst ergeben sich Möglichkeiten, Ansprüche gegenüber dem Anlageberater bzw. –vermittler geltend zu machen. Dieser ist nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung verpflichtet, den Anleger über sämtliche Besonderheiten und Risiken aufzuklären und zu beraten, die für dessen Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können (siehe z.B. BGH WM 2000, 426).
Verletzt ein Anlageberater bzw. –vermittler diese Pflichten, so ist er dem Anleger zum Ersatz des sog. Vertrauensschadens verpflichtet, mithin also zur Erstattung sämtlicher Aufwendungen, die der Anleger im Zusammenhang mit dem Erwerb der Kapitalanlage getätigt hat, Zug um Zug gegen Herausgabe der Anlage bzw. Beteiligung. Allerdings muss im Einzelfall geprüft werden, ob sich die fehlerhafte und unzureichende Beratung nachweisen lässt.
Initatoren
Auch der persönlich haftende Gesellschafter einer Fondsgesellschaft, eventuelle Gründer- oder Treuhandkommanditisten wie auch andere auf Initiatorenseite tätige Vertrauenspersonen sind verpflichtet, für die Vollständigkeit und Richtigkeit des verwendeten Verkaufsprospekts zu sorgen. Verstoßen sie gegen diese Pflicht und wurde die Anlagebeteiligung aufgrund von unrichtigen bzw. unvollständigen Prospektangaben eingegangen, ergeben sich für den Anleger Schadenersatzansprüche gegenüber den verantwortlichen Personen bzw. Firmen wegen Verschuldens bei Vertragsschluss und evtl. wegen (Kapitalanlage-)Betruges. Diese Ansprüche wären letztlich auf Rückabwicklung der Beteiligung und Freistellung von für die Beteiligung eingegangenen Zahlungsverpflichtungen gerichtet.
Den staatsanwaltlichen Ermittlungen zufolge hat der Fondsinitiator Klaus Neuschwander in sämtlichen WGS-Fonds spätestens ab dem Fonds Nr. 20 die tatsächlich an den Vertrieb gezahlten Innenprovisionen nur noch zur Hälfte in den Emissionsprospekten ausgewiesen und somit die Anleger über die tatsächliche Werthaltigkeit ihrer Einlage arglistig getäuscht. Dies wurde bereits in einer Reihe von Gerichtsurteilen (z.B. LG Stuttgart, Urt. v. 26.03.2002, Az. 24 O 127/01; OLG Stuttgart, Urt. v. 26.09.2005, Az. 26 U 92/05) bestätigt.
Berücksichtigt werden muss dabei, dass Ansprüche mangels Solvenz weder gegenüber der WGS noch gegenüber dem Initiator in nennenswertem Umfang durchsetzbar sein dürften.
Ansprüche gegen die finanzierende Bank
Erfolg versprechender dürfte es nach wie vor grundsätzlich sein, die Rückabwicklung des Fondserwerbs nebst Darlehensvertrag gegenüber der die Beteiligung finanzierenden Bank anzustreben.
Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zufolge ist eine Bank bei der Finanzierung des Erwerbs von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds unter bestimmten Voraussetzungen zur vollständigen Rückabwicklung des Darlehensvertrages nebst Fondsbeteiligung verpflichtet.
Wurde der Kredit eigens zur Finanzierung der Fondsanteile aufgenommenen und vom Anlagevermittler „im Paket“ mit der Kapitalanlage vermittelt, handelt es sich grundsätzlich um ein „verbundenes Geschäft“ im Sinne des Verbraucherkreditrechts. Nach § 9 VerbrKrG a.F. (heute: §§ 358, 359 BGB) besteht in solchen Fällen eine wirtschaftliche Einheit zwischen Darlehensvertrag und finanziertem Geschäft, der nicht künstlich aufgespalten werden darf.
Wurden der Fondsbeitritt und der Darlehensvertrag im Rahmen einer sog. „Haustürsituation“, also z.B. im Bereich der Privatwohnung oder am Arbeitsplatz des Anlegers, angebahnt und weist der Darlehensvertrag keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung auf, so besteht nach den Regeln des Haustürwiderrufsrechts (früher §§ 1, 3 HaustürWG, heute §§ 312, 355 BGB) dieses Widerrufsrecht zeitlich praktisch unbegrenzt und kann mithin auch nach Jahren noch ausgeübt werden. Im Falle eines wirksamen Widerrufs muss die Bank sämtliche Zins- und ggf. Tilgungszahlungen erstatten, Zug-um-Zug gegen Übertragung des Fondsanteils an die Bank.
Da den Ermittlungen des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg zufolge der Fondsinitiator Neuschwander veranlasst hatte, dass spätestens ab dem WGS-Fonds Nr. 20 die Vertriebskosten in den Prospektunterlagen nicht mehr zutreffend ausgewiesen wurden, besteht darüber hinaus die Möglichkeit, die aus der arglistigen Täuschung des Fondsinitiators resultierenden Schadenersatzansprüche auch der finanzierenden Bank entgegenzuhalten.
Der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. BGH, Urteil vom 16.05.2006, Az. XI ZR 6/04) zufolge ist es möglich, der finanzierenden Bank umfassende Schadenersatzansprüche entgegen zu halten, wenn diese mit dem Verkäufer oder Vertreiber des Objekts „institutionalisiert“ zusammengewirkt hat und dadurch eigene Kenntnis von einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch Verkäufer, Vermittler oder Initiatoren hatte oder haben musste. Ein sich hieraus ergebender Wissensvorsprung soll sodann eine eigene Aufklärungspflicht der Bank begründen.
Zur Beweiserleichterung wird eine solche Kenntnis widerleglich vermutet, wenn Bank und Vertrieb in ständigen Geschäftsbeziehungen gestanden haben, die Finanzierung wie auch die Kapitalanlage selbst „aus einer Hand“ angeboten wurden und die Unrichtigkeit der vom Fondsinitiator bzw. vom Vermittler bzw. Berater gemachten Angaben „evident“ ist.
Die Vermutung eigener Kenntnis zu widerlegen, dürfte den Banken, die WGS-Beteiligungen finanziert haben, dabei nicht ganz leicht fallen, hat doch der Bundesgerichtshof zur Frage des Schadenersatzes bei verschwiegenen Innenprovisionen auch eine Haftung der finanzierenden Bank in Erwägung gezogen, sofern ein Anleger durch die objektiv und evident falschen Angaben im Fondsprospekt arglistig getäuscht wurde und die finanzierende Bank mit den Prospektverantwortlichen institutionalisiert zusammengearbeitet hat (so BGH, Urt. v. 10.07.2007, Az. XI ZR 243/05).
Achtung: Verjährung droht!
Durch die zum 01.01.2002 eingeführten Änderungen im Verjährungsrecht droht Kapitalanlegern, die WGS-Beteiligung erworben haben, eine komplette Verjährung ihrer Schadenersatzansprüche zum 31.12.2011!
Der Gesetzgeber hat mit § 199 Abs. 4 BGB eine absolute Verjährungshöchstgrenze von zehn Jahren eingeführt. Nach Ablauf dieser Frist können keine Ansprüche mehr durchgesetzt werden. Diese Frist begann mit Einführung der neuen Gesetzeslage zum 01.01.2002 zu laufen und endet somit zum 31.12.2011.
Da die Anteile an den WGS-Fonds zwischen 1987 und 1996 vertrieben wurden, droht auch hier die Verjährung sämtlicher Ansprüche zum 31.12.2011.
Sofern Sie noch keine rechtlichen bzw. verjährungshemmden Schritte eingeleitet haben, sollten Sie daher rechtzeitig handeln.
Lesen Sie mehr zum Verjährungstermin 31.12.2011