Situation
Am 15. September 2008 musste die US-amerikanische Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz anmelden.
Durch den Zusammenbruch von Lehman Brothers Inc. unÂterÂlieÂgen auch die Zertifikate dieses Kreditinstituts dem ToÂtalÂverÂluÂstriÂsiÂko. Ob und inwieweit aus diesem Zertifikat selbst noch (Rück-) Zahlungsansprüche geÂgenÂüber der Emittentin oder etwaigen Rechtsnachfolgern durchgesetzt werden könÂnen, hängt letztendlich davon ab, welchen weiÂteÂren Verlauf die Entwicklung des Bankinstitutes nimmt. Welche weiteren ErÂkenntÂnisÂse sich z.B. im Rahmen eiÂnes Insolvenzverfahrens erÂgeÂben, ob (und ggf. welche) UnÂterÂnehÂmensÂteiÂle verÂäuÂßert werden, kann zum jetÂziÂgen Zeitpunkt noch nicht mit hinÂreiÂchenÂder SiÂcherÂheit beurteilt werden. Das zuständige Insolvenzgericht im BeÂzirk SüdÂliÂches New York Anfang Oktober 2008 hat einem Antrag auf Liquidierung der LehÂman Brothers Inc. zugestimmt.
Auch die sog. „Garantie-ZerÂtiÂfiÂkaÂte“ bieten grundÂsätzÂlich keinerlei Gewähr für die Rückzahlung des eingesetzten GelÂdes, denn auch die Werthaltigkeit derartiger Garantien hängt letztlich von der ZahÂlungsÂfäÂhigkeit des Emittenten ab.
Die in Deutschland vertriebenen Lehman-Zertifikate wurden überwiegend von der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. in Amsterdam ausgegeben, über deren Vermögen am 08.10.2008 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Bei der handelt es sich um eine hunÂdertÂproÂzenÂtiÂge Tochter der Lehman Brothers Inc. (USA).
Da die bisherigen Erkenntnisse aus den Insolvenzverfahren nicht darauf schließen lassen, dass Anleger noch mit einer nennenswerten Entschädigung rechnen können, stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage sich Schadenersatzansprüche insbesondere gegen die Anlageberater mit Aussicht auf Erfolg durchsetzen lassen.
Rechtliche Einschätzung
Schadenersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung
Ein Anlageberater ist – wie auch die Bank als das hinter ihm stehende BeÂraÂtungs- und VerÂmittÂlungsÂunÂterÂnehÂmen – aufÂgrund eines regelmäßig zumindest konÂkluÂdent zuÂstanÂde kommenden AusÂkunfts- und Beratungsvertrages verÂpflichÂtet, den Anleger umÂfasÂsend und zutreffend über alle BeÂsonÂderÂheiÂten und Risiken aufzuklären und zu beÂraÂten, die für seine AnÂlaÂgeÂentÂscheiÂdung weÂsentÂliÂche Bedeutung haben oder haÂben könÂnen. So muss z.B. das vorhandene ProÂspektÂmaÂteÂriÂal erschöpfend erÂläuÂtert  und der Anleger so in die Lage verÂsetÂzt werden, das mit einer KaÂpiÂtalÂanÂlaÂge einÂherÂgeÂhenÂde RiÂsiÂko weitestgehend selbst einschätzen zu können. Ein Berater hat bei seiner Beratung u.a. den WisÂsensÂstand des Anlegers über Geschäfte der vorgesehenen Art und seine RiÂsiÂkoÂbeÂreitschaft, ob der Anleger also eine sichere Anlage wünscht (z.B. zur AlÂtersÂvorÂsorÂge), zu berücksichtigen oder ob diese auch einen spekulativen ChaÂrakÂter haben kann. Des Weiteren müssen auch die auf das Anlageobjekt bezogenen Umstände in der Beratung beachtet werden.
Ist eine entsprechende Aufklärung und BeÂraÂtung nicht erfolgt oder war sie fehÂlerÂhaft, steht dem Kapitalanleger gegen die verÂmitÂtelnÂde Bank, über die er Zertifikate erworben hat, grundsätzlich ein AnÂspruch auf vollständigen ErÂsatz seines Schadens – mithin des eingetretenen VerÂluÂstes – zu.
Es muss daher im jeweiligen Einzelfall überprüft werden, ob z.B. zum Zertifikat vorhandenes Informationsmaterial erläutert und rechtzeitig ausgehändigt wurde, ob über den Anleger Risikoprofile erstellt wurden und ob diese ggf. widersprüchlich sind, welche Anlageziele der Anleger geäußert hat etc.
Je nachdem, wann die Zertifikate vermittelt wurden, ist auch zu prüfen, in wieweit die Bank Umstände bei ihrer Beratung hätte berücksichtigen müssen, die bereits Rückschlüsse auf eine wirtschaftliche Schieflage bei Lehman Brothers zuließen.
Schadenersatzansprüche können sich darüber hinaus ergeben, wenn eine Bank nicht oder nur unzureichend über die erhaltenen (Rück-)VerÂgüÂtunÂgen informiert hat. So hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 19.12.2006 (Az. XI ZR 56/05) klarÂgeÂstellt, dass eine Bank im Rahmen einer Anlageempfehlung auch darauf hinÂweiÂsen muss, dass und ggf. in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus AusÂgaÂbeaufÂschläÂgen und Verwaltungsgebühren erhält. Der Kunde soll so über einen Interessenkonflikt der Bank informiert werden und einschätzen können, ob die Bank eine Anlage womöglich weniger im Interesse des Kunden empfiehlt, sondern eher deshalb, weil sie selbst daran verdient.
Kurze Verjährungsfrist
Für die Geltendmachung und Durchsetzung von SchaÂdenÂerÂsatzÂanÂsprüÂchen geÂgenÂüber der Bank ist in vielen Fällen gemäß der Sonderregelung des § 37 a WpHG eine VerÂjähÂrungfrist von drei JahÂren zu beÂachÂten. Diese Frist beginnt mit dem Erwerb des empfohlenen Wertpapiers und – anders als die allgemeine zivilrechtliche Verjährungsfrist – nicht erst mit der Kenntnis von einer FehlÂbeÂraÂtung. Etwas anderes gilt nur, wenn dem Kreditinstitut nachgewiesen werden könnte, dass die Pflichtverletzung vorsätzlich begangen wurde.
§ 37a WpHG wurde zwar mit Wirkung zum 05.08.2009 aufgehoben. Für alle Fälle, in denen der Erwerb des Wertpapiers jedoch vor diesem Zeitpunkt erfolgte, behält die Regelung auch weiterhin ihre Gültigkeit. Hat eine Bank zum Beispiel einem Anleger am 30.06.2008 Zertifikate vermittelt, verjähren eventuelle Schadenersatzansprüche grundsätzlich mit Ablauf des 29.06.2011.